Bundesregierung muss Bedingungen für Reparatur in Deutschland verbessern – Brüssel allein kann es nicht richten
Reparieren muss für Bürger*innen einfacher und für unabhängige Reparaturdienstleister rentabler werden, heißt es in einem heute veröffentlichten Forderungspapier. Das Potential der Reparatur für den Ressourcen- und Klimaschutz muss angesichts fortschreitender Krisen genutzt werden. Gemeinsames europäisches Vorgehen ist zentral. Entscheidend ist aber, dass die Bundesregierung in Deutschland reparaturfördernde Maßnahmen umsetzt. „Es ist sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung sich für ein Recht auf Reparatur einsetzen will. Damit dieses erreicht wird, muss sie auf EU-Ebene klare Akzente setzen und zum Beispiel beim geplanten Reparaturindex darauf dringen, dass hier der Preis von Ersatzteilen widergespiegelt wird, denn der entscheidet häufig darüber, ob überhaupt repariert wird oder nicht“, sagt Johanna Sydow, Vorsitzende des Runden Tisch Reparatur und Rohstoffexpertin bei Germanwatch.
Darüber hinaus sollte die Bundesregierung nicht nur auf die EU setzen, sondern auch nationale Möglichkeiten ausschöpfen: „Deutschland muss selbst aktiv werden und sich ein Beispiel an anderen europäischen Ländern nehmen, in denen die Kosten für Reparaturen durch eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen oder einen Reparaturbonus gesenkt wurden“, erklärt Janine Korduan, Referentin für Kreislaufwirtschaft beim BUND. Den Vorstoß der Grünen bezüglich eines Reparaturindexes sowie eines bundesweiten Bonus begrüßt sie daher. „Auch wenn 2020 mehr Elektrogeräte als im Jahr 2019 recycelt wurden, landeten immerhin fast 140.000 Tonnen in der Verbrennung. Weniger als zwei Prozent wurden repariert. Reparieren sollte nicht mehr die aufwendige Ausnahme sein, sondern schnell eine Selbstverständlichkeit werden.“ Korduan führt aus: „Sehr erfreulich ist, dass Thüringen das bundesweit einmalige Reparaturbonus-Modellprojekt aus dem Jahr 2021 nun weiterführen will. Wirklich bemerkenswert ist dabei die Einbeziehung von Reparaturcafés: Ersatzteile können – zusätzlich zur Reparatur – bezuschusst werden, wenn sie in einem Reparatur-Café eingebaut werden.“
Weiterhin müssen produktgruppenübergreifende Repararturanforderungen auf den Weg gebracht werden, die reparaturfreundliches Produktdesign vorschreiben. Außerdem braucht es deutschlandweite Angebote, die es ermöglichen, Erfahrungen mit Reparaturen zu sammeln: „Artenschutz und der Weg aus der Klimakrise sind nur mit dem Ende der Wegwerfgesellschaft erreichbar, vom Party-Top bis zum Handy muss Reparatur schon beim Design gesetzlich verpflichtend mitgedacht werden“, fordert Viola Wohlgemuth, Kampaignerin für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz bei Greenpeace. „Zehn Prozent der Verkaufsflächen in Deutschland sollten bis 2030 für Alternativen zum Neukauf bereitgestellt werden. Reparatur, Mieten und Second-Hand-Angebote müssen das Stadtbild einer klimagerechten Zukunft prägen. Lineare Geschäftsmodelle sind nicht mehr zukunftstauglich!"
Um sicherzustellen, dass Verbraucher*innen über ein gutes Angebot an Reparaturdienstleitungen verfügen, ist es zudem dringend erforderlich, den Reparatursektor, der seit vielen Jahren schrumpft, zukunftsfähig zu machen. „Viele Reparaturwerkstätten stehen heute vor der Frage: Aufgeben oder Weitermachen? Kaum verfügbare oder überteuerte Ersatzteile, unfaire Behandlung durch große Konzerne und die frustrierende Suche nach Nachwuchskräften: Ob die Ampel-Regierung es ernst meint, wird sich daran zeigen ob sie Lösungen für diese Probleme schafft“, so Steffen Vangerow, Vorstandsmitglied des Runden Tisch Reparatur und Geschäftsführer der Vangerow GmbH.
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Reparierbarkeit von Produkten und den Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen verbessern sowie verpflichtende Update-Zeiträume für digitale Produkte einführen. Dies sind wichtige Maßnahmen, um die Lebensdauer unserer Produkte zu verlängern.
Das Forderungspapier des Runden Tisch Reparatur wird von folgenden Organisationen und Unternehmen unterstützt:
AfB, anstiftung, Blitzblume, BUND, Deutsche Gesellschaft für Warenkunde und Technologie, Deutsche Umwelthilfe, Deutscher Naturschutzring, fixfirst, Germanwatch, Greenpeace, iFixit, INKOTA, kaputt.de, NaturFreunde Deutschlands, Netzwerk Reparatur-Initiativen, Ökopol, Open Knowledge Foundation, Repair Café Aschaffenburg, ReUse e.V., Shiftphone, Südwind, Sustainable Design Center, Vangerow, WWF.
Weitere Informationen:
Forderungspapier: https://runder-tisch-reparatur.de/wp-content/uploads/2022/02/Umsetzung-Recht-auf-Reparatur-2022_Feb.pdf
Weitere Zitate der Mitunterzeichner
„Mit diesen Forderungen an die neue Bundesregierung für das Recht auf Waren-Reparaturmöglichkeiten, die ein breites Bündnis mit Unterstützung auch der ‘Deutsche Gesellschaft für Warenwissenschaften und Technologie e.V.&‘ richtet, werden multiple Nachhaltigkeitsziele adressiert, der auch die EU insgesamt verpflichtet ist. Daher wird die DGWT mit ihren nationalen Schwester-Gesellschaften in der IGWT eine diesbezüglich breite Distribution auch in anderen Ländern vornehmen.“
– Eberhard Seifert, Präsident der Deutschen Gesellschaft Warenkunde und Technologie
„70% aller Emissionen sind mit der Herstellung und Nutzung von Produkten verbunden – mit dem Recht-auf-Reparatur legen wir das Fundament für eine Circular Economy die zur Erreichung unserer Klimaziele unverzichtbar ist.”
– Sebastian Daus, Co-Founder & CEO FixFirst
„Nur wenn sich technische Geräte zukünftig leichter und günstiger reparieren lassen, können wir unseren viel zu hohen metallischen Rohstoffverbrauch in Deutschland reduzieren und die Rohstoffwende endlich voranbringen. Weniger Bergbau heißt auch weniger Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Abbauländern und damit mehr globale Gerechtigkeit.“
– Julius Neu, Referent Rohstoffpolitik, Wirtschaft und Menschenrechte bei INKOTA
„Wir müssen endlich anfangen Hardware zurück in die Hände der Verbraucher*innen zu legen und offen zu denken. Das Recht auf Reparatur ist ein wichtiger erster Schritt. Langfristig sollte es um Open Hardware gehen.“
– Maximilian Voigt, Advocacy Open Education & Hardware, Open Knowledge Foundation
„Ein Recht auf Reparatur ist das Recht der Eigentümerin einer Sache, diese Sache selbst zu reparieren oder durch eine Fachperson ihrer Wahl reparieren zu lassen. Dieses Recht kann nur verwirklicht werden, wenn die für eine Reparatur notwendigen Bedingungen insbesondere durch Hersteller oder Inverkehrbringer erfüllt werden, indem sie Ersatzteile und Reparaturinformationen zur Verfügung stellen.“
– Franz Streibl, Vorstandsmitglied des Runder Tisch Reparatur e.V.
„In Deutschland gibt es bisher nur eine ‚Kreislaufwirtschaft‘, die auf das ‚richtige Wegwerfen‘ schaut. Das Recht auf Reparatur stärkt und fördert dagegen eine echte Circular Economy, die den Erhalt von Ressourcen und Produkten in den Mittelpunkt stellt.“
– Rebecca Tauer, Programmleiterin Kreislaufwirtschaft beim WWF Deutschland
Runder Tisch Reparatur e.V
Keltenstraße 8
72766 Reutlingen
Telefon: 015117889535
http://runder-tisch-reparatur.de
Germanwatch | Pressereferentin
Telefon: +49 (151) 742968-18
E-Mail: heidrich@germanwatch.org
Greenpeace | Kampaignerin Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz
Telefon: +49 (151) 221809-71
E-Mail: viola.wohlgemuth@greenpeace.org
BUND | Referent Technischer Umweltschutz
Telefon: +49 (30) 275864-33
E-Mail: rolf.buschmann@bund.net
BUND | Referentin Kreislaufwirtschaft
Telefon: +49 (30) 275864-33
Vangerow GmbH | Geschäftsführer
Telefon: +49 (7127) 987630-0
E-Mail: s.vangerow@vangerow.de
Runder Tisch Reparatur | Koordinatorin
E-Mail: katrin.meyer@runder-tisch-reparatur.de
Neue EU-Strategie für Kreislaufwirtschaft ebnet den Weg für ein Recht auf Reparatur in Europa
Der Fünfjahresplan skizziert die von der Europäischen Kommission geplanten Maßnahmen, um von dem verschwenderischen “take-make-use-dispose”-Wirtschaftsmodell zu einem System zu gelangen, in dem nachhaltigere Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zur neuen Norm werden. Angesichts der Frustration darüber, dass unsere Produkte zu schnell kaputt gehen und nicht wiederverwendet, repariert oder recycelt werden können, verspricht der Plan auch ein “neues Recht auf Reparatur”, das als ein wichtiger Hebel für Veränderungen etabliert werden soll.
Die Strategie enthält zwar nur wenige Details, aber sie gibt Anlass zur Hoffnung. Sie erfüllt nicht nur den dringenden Bedarf an einem politischen Rahmen, der den verschwenderischen Verbrauch und die eingebaute Obsoleszenz vieler unserer Produkte, angefangen bei der Unterhaltungselektronik, verhindert. Sie verspricht auch, dass VerbraucherInnen bei Einkäufen eine informiertere Wahl treffen können.
Das alles ist eine willkommene Nachricht – für die Umwelt und die 8 von 10 EuropäerInnen, die der Meinung sind, dass von den Herstellern verlangt werden sollte, Reparaturen und den Austausch von Teilen zu erleichtern. Und auch für die über 20.000 UnterzeichnerInnen unserer Petition an die EU-Spitze, die sich wünschen, dass Produkte so gestaltet werden, dass sie länger halten.
Was muss als nächstes geschehen?
Der erste Prüfstein für die Kommission von Frau von der Leyen wird die Veröffentlichung des nächsten Ökodesign-Arbeitsplans sein. Das Dokument, das im Laufe dieses Jahres angenommen werden soll, wird die Arbeit der Kommission in Bezug auf viele umweltschädliche Produkte bis zum Ende ihrer Amtszeit leiten. Damit die heute gesetzten Erwartungen erfüllt werden können, müssen konkrete Schritte unternommen werden, um gegen die verschwenderischsten und am schlechtesten reparierbaren Produkte vorzugehen, die heute auf dem Markt sind, angefangen bei Smartphones, Druckern, Laptops und anderen IKT-Geräten. Das Europäische Parlament erarbeitet auch einen eigenen Initiativbericht über geplante veraltete und länger haltbare Produkte, der die weitere politische Richtung vorgeben wird.
“Wir begrüßen den Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft als einen ersten Schritt, um zu verhindern, dass unsere Elektronik zu Abfall wird, und um die Reparatur in Europa zum Alltag zu machen”, erklärt Chloé Mikolajczak von der Right to Repair Europe Kamapgne. “Die Strategie muss jetzt in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, die unsere Produkte durch ihr Design reparierbar machen, die VerbraucherInnen über Reparierbarkeit informieren und einen uneingeschränkten Zugang zu Reparaturinformationen, Software-Updates und günstigen Ersatzteilen schaffen”, ergänzt Katrin Meyer, Koordinatorin des Runden Tisch Reparatur.
Was enthält der Aktionsplan zur Reparatur?
Gesetzgebungsinitiative zur nachhaltigen Produktpolitik, die unter anderen Nachhaltigkeitsaspekten die Reparaturfähigkeit aller Produkte auf dem europäischen Markt verbessern und einer vorzeitigen Obsoleszenz entgegenwirken soll – Elektronik- und IKT-Produkte werden als Priorität genannt
Überarbeitung des EU-Verbraucherrechts, um ein neues “Recht auf Reparatur” zu schaffen und Informationen über die Lebensdauer von Produkten am Verkaufsort sowie die Verfügbarkeit von Reparaturdiensten, Ersatzteilen und Reparaturhandbüchern bereitzustellen
Circular Electronics Initiative, mit Schwerpunkt auf Mobiltelefonen, Tablets, Laptops und Druckern und mit Schwerpunkt auf Hard- und Software sowie der Einführung von gemeinsamen Ladegeräten
Überarbeitung der wirtschaftlichen Instrumente, damit die Mitgliedstaaten die Mehrwertsteuersätze zur Förderung von Reparaturdienstleistungen verwenden können
Der Runde Tisch Reparatur vereint seit 2015 Organisationen aus den Bereichen Handwerk, Umwelt- und Verbraucherschutz, Wissenschaft, Beratung und ehrenamtlicher Reparatur. Der Verein setzt sich gemeinsam mit seinen Partnern auf nationaler und europäischer Ebene für ein universelles Recht auf Reparatur ein, das unter anderem reparaturfreundliches Produktdesign und Zugang zu Ersatzteilen umfasst.
Runder Tisch Reparatur e.V
Keltenstraße 8
72766 Reutlingen
Telefon: 015117889535
http://runder-tisch-reparatur.de
E-Mail: katrin.meyer@runder-tisch-reparatur.de