Niemand rechnet damit, dass ein Informatiker eine Methode als elementares Werkzeug für Führungskräfte proklamiert. Zudem wirkt das Werkzeug auf den ersten Blick technisch – auch, weil es an ein Datenbankschema erinnert. Bei genauerer Betrachtung erkennt man aber, dass das Informationsmodell ein semantischer Spiegel des realen Geschäfts und seiner Herausforderungen ist. Weshalb dieses Modell gerade für Entscheider und Führungskräfte ein notwendiges Werkzeug ist, erklärt
Stefan Berner von foryouandyourcustomers im Interview. Das kostenlose Whitepaper „Informationsmodell“ von Stefan Berner erhalten Sie
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foryouandyourcustomers stellt fest, dass Stefan Berner ein Modell entwickelt hat, um eines der größten Probleme in digitalen Projekten und damit im digitalen Wandel anzugehen: Es hilft den Menschen, die Realität mit dem digitalen Abbild zu verbinden. Das Informationsmodell basiert auf Sprache; auf einer einfachen, unternehmensweit verständlichen und akzeptierten Definition von Begriffen und deren Zusammenspiel. Es wird eine gemeinsame Sprache geschaffen, die verschiedene Abteilungen, Bereiche, Standorte, Länder und letztlich auch den Kunden effizienter zusammenarbeiten lässt, die Qualität erhöht und zu besseren Ergebnissen führt. Deshalb beginnt foryouandyourcustomers strategische Projekte, wenn immer möglich, mit einem Informationsmodell.
foryouandyourcustomers: Stefan Berner, würden Sie diesen Satz bitte beenden: Um in der heutigen Zeit ein Unternehmen erfolgreich durch die Digitalisierung zu lotsen, sollten Entscheider und Führungskräfte das Informationsmodell kennen und dessen Anwendung fordern, weil …ein Unternehmen mithilfe des Modells das grundlegend notwendige semantische Fundament für seine Digitalisierung aufbauen kann und es alle Beteiligten darin unterstützt, das reale Geschäft und die gestellten Aufgaben mit dem digitalen Abbild zu verbinden. Hinzu kommt: Es ist ein Werkzeug, das hilft, Kosten zu senken, mehr Business und Umsatz zu generieren, die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern und vor allen Dingen begeisterte Kunden an sich zu binden.
Ein produzierendes Unternehmen, inzwischen ein Kunde von uns, musste in der Vergangenheit einmal die Auslieferung von Maschinen stoppen. Der Grund war ein Kommunikationsproblem zwischen Entwicklung, Produktion und Verkauf – mit drastischen Folgen. Die Kunden waren ausnahmslos verärgert, die Geschäftsführung sah sich einem immensen finanziellen Schaden gegenüber und die Mitarbeiter waren fassungslos und frustriert: „Wie konnte uns das nur passieren?“. Hätte man dort ein sauber gepflegtes Informationsmodell genutzt, wäre es gar nicht soweit gekommen.
foryouandyourcustomers: Wie können Sie sich so sicher sein? Ich habe in den vergangenen 30 Jahren viele Digitalisierungsprojekte mit Einsatz der Informationsmodellierung realisiert und bis heute ist in keinem davon ein Konsistenzproblem, wie es in jenem Unternehmen der Fall war, aufgetreten.
Digitalisierung bedeutet: Man möchte mehr Informationen besser verwalten und schneller, intelligenter nutzen. Aber wie kann man Informationen über Kunden oder Produkte, fehlerfrei und gewinnbringender verarbeiten, wenn man nicht weiß – oder keine Einigkeit darüber besteht –, über welche Informationen man spricht? Wie diese überall im Unternehmen benannt werden, was diese Informationen beinhalten und welche Informationen welche Abteilung benötigt, bearbeitet und verteilt?
foryouandyourcustomers: Könnten Sie das konkretisieren? Bei unseren Kunden wenden wir grundsätzlich unser Modell, die „Exploded View“, an und thematisieren im Zuge dessen Begrifflichkeiten und Terminologien. Auf der obersten Ebene dieses Modells spreche ich beispielsweise vom Customer und bereits an diesem Punkt beginnen in der Regel die Diskussionen: „Meinen wir hier einen einmaligen Kunden, einen Gelegenheitskunden, den Onlinekunden oder den Großkunden einer bestimmten Filiale? Und was und wer wird bei uns alles als Customer bezeichnet?“. Dieser Begriff muss zwingend und unmissverständlich definiert sein. Denn die Diskussionen gehen weiter: „Dieser Customer kauft eines meiner Produkte. Aber was wird bei uns als Produkt bezeichnet? Ist eine Dienstleistung ein Produkt oder verstehen wir darunter nur einen bestimmten Artikel aus der Produktion? Oder handelt es sich dabei auch um eine Serviceleistung?“. Es gibt Unternehmen, die inzwischen zahlreiche Begrifflichkeiten aus ihrem Unternehmensjargon verbannt haben, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen. Man kann sich vorstellen: Wenn diese Begriffe nicht über alle Abteilungsgrenzen und Standorte hinweg eindeutig geklärt werden, kann das Digitalisierungsbemühungen im schlimmsten Fall bereits im Keim ersticken.
foryouandyourcustomers: Das Informationsmodell ist in Ihren Augen also das fehlende Puzzlestück, um Digitalisierungsprojekte vor einem Scheitern zu bewahren? Unbedingt – und das belegt das Feedback aus unseren Projekten. Schon allein deshalb, weil das Modell richtig angewandt, eine Fehlerkette wie beim genannten Maschinenhersteller verhindert hätte. Der Kommunikationsfluss zwischen Entwicklung und Verkauf des Herstellers war fehlerhaft und der Schaden hausgemacht, weil die notwendigen Informationen nicht zur richtigen Stelle vorgedrungen waren.
foryouandyourcustomers: Wenn dieses Modell so wertvoll für ein Unternehmen ist, warum wird die Methode nicht bereits überall eingesetzt? In gewisser Weise wird sie das schon: beispielsweise bei den Löhnen der Mitarbeiter. Dieses Attribut Lohn ist in der Regel in jedem Unternehmen sauber gepflegt und klar definiert, wer darauf Zugriff hat. Dort funktioniert der Informationsfluss. Warum gelingt es Firmen aber oftmals bei der Herstellung einer Bedienungsanleitung nicht, einen konsistenten Informationsfluss zu gewährleisten, wo ein Fehler hohe Entschädigungsklagen nach sich ziehen kann? Und warum werden wir bei foryouandyourcustomers immer wieder mit der Aussage konfrontiert, dass das Informationsmodell sehr kompliziert in der Anwendung und ein Thema für die IT-Abteilung sei?
foryouandyourcustomers: Sie sehen das anders? Diese Denkweise kann fatale Folgen haben. Wenn ich als Verantwortlicher für den Digitalisierungsprozess die Hoheit über die Informationen der IT-Abteilung überlasse, dann darf ich mich nicht wundern, wenn ich eine technische Lösung für mein Vorhaben erhalte, mit der andere Abteilungen wiederum nicht arbeiten können, weil das Verständnis dafür fehlt.
In meinem Buch „Informationsmodellierung – Durch Verstehen zu besserer Software“ beschreibe ich es folgendermaßen: „Informatiker müssen verstehen, was die Anwender benötigen. Anwender und Manager müssen verstehen, wie sie Informationen nutzen und was sie von der IT verlangen sollen.“ Die Information ist die Grundlage für alle korrekten Abläufe; für die Verwendung der richtigen Daten, Systeme, Prozesse, Workflows, organisatorische Strukturen, Mediennutzung, Kommunikation, Marketing, Verkauf und so weiter. Das Modell ist also die Brücke zwischen Fachbegriffen, Fachstrukturen, IT und deren Umsetzung. Es garantiert eine Qualitätsverbesserung auf allen Ebenen und betrifft jede dieser Unternehmensebenen; denn sie alle greifen auf Informationen zu und nutzen diese.
foryouandyourcustomers: Dementsprechend sollten sich alle Abteilungen an der Korrektur und Verbesserung von Begrifflichkeiten über die genutzten Kanäle hinweg beteiligen. Möglicherweise sprechen wir von Tausenden von Begriffen, die dort bereits seit Jahrzehnten verwendet werden. Das klingt nach einem Mammutprojekt, das mit Sicherheit nicht in kürzester Zeit und ohne großen finanziellen Aufwand zu stemmen sein dürfte? Bei einem unserer Kunden, einem international tätigen Unternehmen, reden wir von ungefähr 400 Begriffen. Nach unserem letzten Kundenworkshop sagte mir der CEO: „Wir konnten dieses Problem in drei Jahren und mithilfe zweier externer Firmen nicht klären, jetzt haben wir es in einem Workshop, an einem Nachmittag, gelöst.“ Ich denke, das sagt viel aus. Das Modell ist überraschend einfach, wegweisend, durchdacht und in kürzester Zeit erlern- und anwendbar. Um es lesen zu können, benötigt man eine Viertelstunde. Wenn man selbst ein Modell erstellen und nutzen möchten, reichen zwei Tage Workshop aus.
foryouandyourcustomers: Wie sollte ein Unternehmen bei der Anwendung des Modells vorgehen? Wer sind dafür die Schlüsselpersonen und was benötigen diese? Das Modell ist grundlegender Teil der Unternehmenszivilisation und damit auch grundlegender Teil des Managementsystems. Deshalb ist es wichtig, dass Bedeutung und Nutzen von der Geschäftsführung erkannt und der Einsatz der Informationsmodellierung in relevanten Projekten von Entscheidern und Führungskräften gefordert, mitgetragen und autorisiert wird.
Die Verantwortung für die Errichtung und Pflege des Modells liegt indes an anderer Stelle. Die Pflege sollte der jeweilige Qualitätsverantwortliche übernehmen. Unterstützt wird dieser von einem bereichsübergreifenden Kernteam aus Business-Analysten, Business-Architekten, zwei, drei Personen, die sich zuvor um Modellierung und Anwendung auf den einzelnen Unternehmensebenen und in den Abteilungen kümmern. Den Input hierfür erhalten sie wiederum von einem größeren Team, in dem alle Fachbereiche vertreten sind, die ihre Wünsche und ihre Anforderungen einbringen müssen. Unternehmen benötigen dafür also, je nach Größe, etwa ein halbes bis ein Dutzend Personen, die daran arbeiten und ich denke, wenn man sich den Nutzen des Modells vergegenwärtigt, sollte der Kostenfaktor nicht gegen eine Einführung sprechen.
foryouandyourcustomers: Sie sprechen den Nutzen an. Entfaltet das Modell eher langfristig gesehen seine volle Wirkung oder kann ein Unternehmen davon auch kurzfristig profitieren? In einem Workshop konnten wir innerhalb eines Nachmittages Begrifflichkeiten klären, die direkt in das Business einflossen. Ein anderes Unternehmen hat im Anschluss an unsere Beratung und auf Basis des Informationsmodells ein Datenmodell und daraus eine Datenbank generiert, die noch heute wartungs- und vor allen Dingen fehlerfrei arbeitet.
Hinzu kommt, dass das Modell in der Regel einen Dominoeffekt auslöst und seine ganze Kraft Stück für Stück entfaltet. Die Klärung von Begrifflichkeiten ist meist der Anfang. Die Erkenntnisse aus der nachfolgenden Modellierungsarbeit, war bei vielen unserer Kunden die Basis dafür, Synergieeffekte zu nutzen, zeitgemäße Geschäftsmodelle zu entwickeln, Arbeitsaufteilungen zu verändern und alte Organisationsstrukturen aufzubrechen und neue zu schaffen.
foryouandyourcustomers: Durch die zunehmend höhere Entwicklungsgeschwindigkeit im Zuge der Digitalisierung sollte ein Unternehmen Handlungsgeschwindigkeit besitzen, um Angebote und Services schnell anpassen oder verändern zu können. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass ich dafür auch fortlaufend ein neues Informationsmodell erarbeiten muss? Im Gegenteil. Das Modell der Informationen und ihrer Strukturen ist der stabilste Teil eines Unternehmens. Nehmen Sie ein herkömmliches Taxiunternehmen und den Anbieter Uber. Zu 90 Prozent nutzt Uber die gleichen Informationen, die auch Taxiunternehmen seit jeher verwenden. Was sich rasant ändert, sind Technologien, Medien und die Geschwindigkeit, mit der Informationen gesammelt, verarbeitet und verknüpft werden müssen.
Mit einem Informationsmodell kann man dem digitalen Wandel leichter und schneller begegnen, denn es ist medien- und technologieneutral. Mit diesem Fundament kann ich als Unternehmen viel mehr Zeit darin investieren, Neues und Stabiles aufzubauen, als Fehlerkorrekturen an Altem vorzunehmen, um überhaupt erst Neues anzugehen. Das spart Zeit und Geld.
foryouandyourcustomers: Und diesen Schritt, also die Anwendung des Informationsmodells, kann jedes Unternehmen, jede Organisation erfolgreich und gewinnbringend anstoßen? Ohne Frage, weil das Informationsmodell universell einsetzbar ist. Es dreht sich dabei um die Grundlagen der Kommunikation. Um Syntax, Begriffe, Semantik. Unabhängig davon, ob es sich um die Jurisprudenz, um öffentliche Verwaltung, Hersteller, Banken, Versicherungen oder Vereine handelt – überall werden digitale Informationen verarbeitet und interpretiert. Sobald dies der Fall ist, können diese Informationen von meinem Modell beschrieben werden. Deshalb behaupte ich: Jedes Unternehmen, das nicht auf dieses Modell zurückgreift, verbaut sich selbst die Chance, den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten. Viele erfolgreiche Führungskräfte haben dies bereits erkannt und setzen das Modell ein.
Das Produktkulturmagazin, Ausgabe Q2 2019