Autor: Firma Die TUM Campus Heilbronn gGmbH

Die vielen Facetten der Entscheidungsfindung

Die vielen Facetten der Entscheidungsfindung

Was haben Rattengehirne, globale Unternehmensnetzwerke und die Spieltheorie gemeinsam? Bei allen drei Themenfeldern geht es um Entscheidungsfindung. Und so boten jüngst beim gemeinsamen Webinar des Campus Heilbronn der Technischen Universität München (TUM Campus Heilbronn) mit der Hebräischen Universität Jerusalem (HUJI) Experten der beiden Universitäten Einblick in ihre Forschung, die neben zahlreichen anderen Themen auch diese drei Spezialgebiete umfasst. „Decision-Making: Big and Small – From Individual Rodents to Global Business” war der Titel des Webinars. Und die spannenden Fragen lauteten: Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es zwischen Nagetieren und Unternehmen bei der Entscheidungsfindung? Welche allgemeinen Schlüsse lassen sich daraus ziehen?

Optimale Strategie gesucht

Eine wichtige Gemeinsamkeit: Belohnung und Bestrafung können sowohl Nagetiere als auch Menschen bei der Entscheidungsfindung leiten: Lob und Anerkennung sind viel erstrebenswerter als Ablehnung und Tadel. Professor Israel (Eli) Nelken von der HUJI hat an Ratten untersucht, wie sie optimale Strategien zur Gewinnmaximierung bei der Nahrungssuche entwickeln.

Dazu hat der Hirnforscher das Verhalten seiner vierbeinigen Schützlinge in einem großen Trainingsgelände (1,6 Meter im Durchmesser) namens RIFF (Rat Interactive Foraging Facility) unter die Lupe genommen. Zum einen mit Audio- und Videoaufnahmen, zum anderen mit Chips, die mehrmals pro Sekunde die Aktivität der Nervenzellen aufzeichnen. Nelken macht gleich zu Beginn seines Online-Vortrags klar: „Die Datenmenge ist so groß, dass wir nicht alles vollständig verstehen, aber ich werde erklären, wie wir uns dem nähern.“

Übung macht den Meister

Das Trainingsgelände ist recht einfach aufgebaut: An mehreren Stationen können die Nager durch Anstupsen Belohnungen in Form von Futter oder Wasser erhalten oder bei falscher Wahl mit einem Luftstoß bestraft werden. Kurze Melodien weisen auf die Verfügbarkeit von Belohnungen hin, während der englische Satz „Don’t go there“ auf Bestrafung hinweist. Innerhalb kürzester Zeit lernten die Tiere erfolgreiche Strategien: „Am ersten Tag erzielten sie zwei Belohnungen pro Minute, am zweiten Tag waren es bereits sieben“, erklärt der Wissenschaftler.

Dabei hilft der Markov-Entscheidungsprozess (MEP), nach dem die besten Entscheidungen im Moment getroffen werden: „Es ist möglich, die Strategie zu optimieren, indem man die Entscheidungen nur auf der Grundlage des aktuellen Zustands trifft, ohne zu berücksichtigen, wie die Ratte dorthin gelangt ist“, erklärt Nelken. Er folgt dabei den Ideen seines langjährigen Weggefährten, dem ehemaligen Professor für Informatik an der HUJI: Naftali Tishby. Nelken zeigt, dass Ratten Verhaltensstrategien anwenden, die sowohl gut als auch einfach sind.

Sprachmodelle als Experten für Unternehmensbeziehungen

Diese zu verfolgen, ist für Nagetiere ebenso wichtig wie für uns Menschen. In der Geschäftswelt etwa stehen Unternehmen oft vor essentiellen Fragen wie: Partner oder Konkurrent? Kunde beziehungsweise Lieferant oder Wettbewerber? Die Beziehung von Unternehmen untereinander zu verstehen, ist in mehrerlei Hinsicht wichtig, erklärte Sebastian Müller, Professor of Finance und Direktor des Center for Digital Transformation am TUM Campus Heilbronn, in seinem Vortrag zum Thema „Global Business Networks“: Ob es um Fusionen und Übernahmen, die Suche nach potenziellen Kunden und Lieferanten oder um eine angemessene Preispolitik geht – jedes Unternehmen müsse seine Wettbewerber, Partner, Kunden und Lieferanten kennen.

Sebastian Müller und sein Doktorand Christian Breitung knüpften an eine Studie an, die untersucht hat, wie stark sich Geschäftsbeschreibungen in Jahresberichten gleichen: Je höher die Übereinstimmungen, desto ähnlicher die Firmen und desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie Konkurrenten sind. Im zweiten Schritt ließen Müller und sein Team eine Geschäftsbeschreibung von KI-basierten Sprachmodellen wie GPT-3 erstellen, um daraus globale Unternehmensnetzwerke zu konstruieren. Diese lassen verschiedene Schlussfolgerungen zu: zum Beispiel, dass sich die Aktien eines Unternehmens, das einem bisher erfolgreichen Netzwerk angehört, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftig gut entwickeln werden. Außerdem lasse sich das Sprachmodell soweit verfeinern, das allein anhand des Textes zwischen Wettbewerbern und Kunden-Lieferanten-Beziehungen unterschieden werden könne.

Wenn Schweigen nur Silber ist

Auch bei der Spieltheorie steht die Entscheidungsfindung im Fokus. Das verdeutlichte David Wuttke, Assistant Professor für Supply Chain Management am TUM Campus Heilbronn, in seinem Vortrag mit dem Titel „Decision Making with Game Theory.” Aus der Spieltheorie lassen sich so manche Schlüsse auf Lieferketten ziehen, etwa aus dem sogenannten Gefangenendilemma. Bei diesem Gedankenexperiment müssen sich zwei imaginäre Verdächtige entscheiden, ob sie miteinander kooperieren – also über ihre Tat schweigen und beide moderat bestraft werden – oder ob sie den eigenen Vorteil auf Kosten des anderen verfolgen – also den Komplizen verraten, um selbst begnadigt zu werden. Es zeige sich: „Egal was der andere tut, für mich ist es immer besser zu reden, als zu schweigen“, erklärte Wuttke. Gleichgewicht – also ein Zustand, indem keiner der beiden sein Ergebnis eigenmächtig verbessern kann – ist nicht immer optimal. Auf Lieferketten übertragen bedeute das: Wenn alle beteiligten Firmen ihren Profit maximieren, kommt im Gleichgewicht nicht unbedingt das Optimum heraus – Kooperation ist wichtig.

Sogar aus dem Spiel „Schere, Stein, Papier“ lassen sich Schlüsse für Unternehmensbeziehungen ziehen: Wie bei dem Spiel kann es auch im Geschäftsleben von Vorteil sein, von vornherein bewusst auf eine Zufallsstrategie zu setzen. Andernfalls könne man zu vorhersehbar sein und von der Konkurrenz ausgenutzt werden.

Die Macht des Zufalls

Was konnten die Teilnehmenden also mit nach Hause nehmen? Ratten sind immer hungrig, KI wird zum Experten für Unternehmensbeziehungen und Geschäftsentscheidungen trifft man am besten bei einer Partie „Schere, Stein, Papier“? Den tatsächlichen Erkenntnisgewinn brachte Gastgeber Prof. Helmut Krcmar, Gründungsdekan und Beauftragter des Präsidenten für die Gesamtentwicklung des TUM Campus Heilbronn, prägnant auf den Punkt: „Das Webinar hatte zum Ziel, verschiedene Blickwinkel auf den Entscheidungsprozess zu werfen. Wir haben erfahren, dass individuelles Verhalten Entscheidungen ebenso beeinflusst wie die gegebenen Rahmenbedingungen. Zudem verändern sich Entscheidungsprozesse, wenn es mehrere Akteure gibt oder der Zufall ins Spiel kommt.“

Über Die TUM Campus Heilbronn gGmbH

Die Technische Universität München am Campus Heilbronn ist seit dem Wintersemester 2018/19 am Bildungscampus der Dieter Schwarz Stiftung präsent. Schwerpunkte der Programme liegen auf dem Management des digitalen Wandels sowie auf Familienunternehmen. Forschung und Lehre zielen auf einen Brückenschlag zwischen Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurswissenschaften und Information Technologies in einem dynamischen, internationalen Umfeld. So entstehen moderne Forschungsfelder, etwa mit Bezug zu Digitaler Transformation und Plattformökonomie, die in den innovativen Unternehmen der Region Heilbronn-Franken, aber auch weltweit Verwendung finden. Die durchgängig englischsprachigen Bachelor- und Master-Studiengänge bereiten auf eine Karriere in technologie-getriebenen Unternehmen vor. Eine intensive Betreuung durch Professor:innen mit internationalem Renommee und kleine, internationale Lerngruppen, machen das Studium am TUM-Campus Heilbronn zu etwas Besonderem.

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Google’s Entscheidungsarchitektur – zwischen Marktmacht und Nutzen

Google’s Entscheidungsarchitektur – zwischen Marktmacht und Nutzen

Der Austausch von materiellen und immateriellen Gütern auf den Märkten bildete einst die Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Was früher reale Treffpunkte von Händlern und Bürgern waren, findet heute weitgehend virtuell statt: Anbieter und Konsument(inn)en treffen und feilschen auf digitalen Plattformen. An der Spitze steht mit Abstand Google.

Alexander Stolte, Doktorand am Center for Digital Transformation am TUM Campus Heilbronn, hat untersucht, wie sich die Struktur der Plattformen auf die Nutzerinnen und Nutzer auswirkt und welche Möglichkeiten der Marktregulierung es gibt.

Die Faszination für digitale Plattformen entwickelte sich bei Alexander Stolte im Verlauf seiner akademischen Laufbahn: „Nach meinem Bachelor in Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und meinem Master in Economics an der Ludwig-Maximilians-Universität wollte ich Forschung mit Praxisbezug betreiben und digitale Innovationen und gesellschaftliche Auswirkungen sichtbar machen.“

Diese Möglichkeit bot ihm Professor Jens Förderer am TUM Campus Heilbronn. Angebot und Nachfrage passten: „Das Forschungsfeld der digitalen Plattformen betrifft sehr viele Menschen.“ Zudem biete der Campus in Heilbronn viele Standortvorteile: „Die Prozesse sind sehr schlank organisiert, die Dienstwege kurz. Außerdem sind Ausstattung und Infrastruktur top. Das sind alles Vorzüge des neu entstandenen Campus.“   

Grenzenlose Macht?

Eine der bedeutendsten digitalen Plattformen ist Google. Ein Vorteil ist seine scheinbar grenzenlose Macht – kaum ein anderes Unternehmen besitzt so viele Informationen über die zugängigen Teile des World Wide Webs. Als Marktbetreiber kanalisiert der Softwareriese die Anbieter von Webseiten durch Rankings. Doch wie verdient der Konzern damit Geld? „Ein Teil der Suchergebnisse wird gesponsert. Erst wenn diese Links angeklickt werden, verdient Google Geld“, erklärt Stolte.

Mit einer ausgeklügelten Choice Architecture versucht das Unternehmen den Nutzern ein möglichst individuelles Angebot an Suchergebnissen anzubieten. Eine spannende Frage ist dabei, wie viele Suchergebnisse angezeigt werden sollten. Daher beschäftigt sich Stolte mit dem sogenannten Unendlichen Scrollen, bei dem die Suchergebnisse dynamisch nachladen. Dies ist vorteilhaft bei sehr gezielten Suchintentionen, bei denen der Nutzer bereits weiß, wonach er sucht.

Sogenannte Snippets beantworten Fragen der Nutzer direkt, sie sind eine Vorschau auf Inhalte von Webseiten. Der Clou dabei: „Die Wertschöpfung bleibt bei der Plattform und nicht mehr bei den nachgelagerten Webseiten. Die Suchkosten werden enorm reduziert und der Nutzer hat den Vorteil, nicht weiterklicken zu müssen.“ Gleichzeitig hat Google das unendliche Scrollen eingeführt: Es gibt kein Maximum an Suchergebnissen, die auf eine Seite reduziert werden.

Microsoft mischt mit

Haben wir es also de facto mit einem Monopol zu tun? „Die Marktmacht von Google überrascht mich. Der einzelne Webseitenbetreiber ist sehr abhängig von der Plattform und hat wenig Gestaltungsspielraum, weil Google natürlich auch technische Standards setzt“, erklärt der junge Doktorand. Doch mit Microsoft und seiner digitalen Plattform Bing mischt ein zweiter mächtiger und vor allem finanzstarker Player mit.

Zudem gefährden die zahlreichen Kartellverfahren gegen Google das Unternehmen als solches, da am Ende auch eine Zerschlagung oder Abspaltung von Geschäftseinheiten stehen könnte. Gleichzeitig könne jederzeit die nächste große Innovation den Suchmaschinenmarkt erschüttern. Es gebe auch viele Nischen, in denen kleinere Anbieter oft besser angepasste Suchmaschinen anbieten. „Hier können respektable Wettbewerber entstehen“, ist sich der Wissenschaftler sicher.

Neue Wettbewerber am Horizont

Nicht zu vergessen die neu entwickelten Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT. Noch individueller und zielgerichteter geben diese Systeme Antworten. Stolte äußerte jedoch Bedenken: „Man merkt, dass den LLMs die inhaltliche Präzision, das Begriffsverständnis fehlt.“ Google hingegen indexiere das Internet und speichere die Informationen auf eigenen Servern. „Es gibt immer die Quelle, das ist das Privileg oder der Luxus von Google. Zu jedem Suchergebnis gibt es auch den Link.“

Die Entscheidungsarchitektur kann jedoch von der Plattform ganz gezielt missbraucht werden, um sogenannte „Dark Pattern“ einzubauen. Diese geben der Plattform die Chance, den Nutzer unbemerkt zu manipulieren, sodass häufiger Abonnements abgeschlossen oder unvorteilhafte Kaufentscheidungen getroffen werden. Im Fall von Suchmaschinen entfällt der Klick dann häufiger auf die Werbung, die gut und geschickt präsentiert wird, aber nicht den eigentlichen Nutzen liefert. Dies ist oft nicht nachvollziehbar, da zu wenig Informationen über die Marktteilnehmer vorliegen.

Mangelnde Transparenz

Ein Problem im Bereich der digitalen Plattformen: „Es gibt keine Transparenz. Eine große technische Herausforderung besteht darin, herauszufinden, welche Informationen die Algorithmen zu einer Entscheidung veranlassen. Das Wie und Warum ist für das Geschäftsinteresse einer Plattform zweitrangig“, erklärt Stolte. Die Entwicklung der Algorithmen von Google sei zudem das Ergebnis von Investitionen in Milliardenhöhe, daher müssten auch diese Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben.

Die Vereinbarungen zwischen Regulierer und Anbieter basierten daher weitgehend auf Vertrauen: „Es gibt eigentlich keine Kontrollmechanismen. Die Anzahl der Suchanfragen pro Tag und die Größe eines Suchmaschinenindexes lassen eine Kontrolle oder ein Tracking im klassischen Sinne nicht zu. Niemand hat die Ressourcen dafür.“

Staatliche Eingriffe

Im Digital Markets Act der Europäischen Union wurde dennoch versucht, die Macht der Gatekeeper von staatlicher Seite zu begrenzen. Eine erfolgreiche Maßnahme? „Definitiv. Die großen Plattformen werden erstmals einer Aufsicht und Regulierung unterworfen.“ Ein besonders starker Einschnitt ist das Verbot des „Self-Preferencing“, das Google verpflichtet, eigene Dienste in den Suchergebnissen nicht bevorzugt vor Drittanbietern oder anderen Webseiten anzuzeigen.

Eines der nächsten Forschungsziele von Alexander Stolte könnte es sein, zu definieren, wo das Ökosystem einer Plattform beginnt und wo es aufhört. „Bei Anbietern wie Apple kann man diese Grenze sehr sauber und produktbezogen ziehen, während Google wie ein Krake im Internet ist, der sich versteckt und dem man nicht entkommen kann, weil wir Nutzer Google die Macht über unser Suchverhalten geben.“ Es bleibt also spannend.

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Künstliche Intelligenz im Bildungswesen

Künstliche Intelligenz im Bildungswesen

Digitale Technik in der Bildung hat während der Corona-Pandemie einen ungeahnten Aufschwung erlebt. Doch was bleibt von diesen zunächst erzwungenen Veränderungen? Im Oxford Internet Institute (OII) / TUM Heilbronn Webinar „From the Classroom to theWorkplace – AI Technologies and the Changing Face ofEducation” beleuchteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Oxford und des TUM Campus Heilbronn, wie sich Bildung und Arbeitsmarkt durch digitale Technik verändert haben und welche Rolle künstliche Intelligenz dabei spielt.

Das Webinar zeigt, welche Möglichkeiten der Vernetzung digitale Technologien bieten. Geleitet und moderiert wurde das Fenster zur Wissenschaft von Prof. Dr. Helmut Krcmar, Gründungsdekan und Beauftragter des Präsidenten für die Entwicklung des TUM Campus Heilbronn, der von der Klimakonferenz aus Dubai zugeschaltet war. Dr. Lulu Shi und Dr. Fabian Stephanyschalteten sich aus England von der gastgebenden Oxford University zu und Stephan Krusche, Professor für Information Engineering am TUM Campus Heilbronn, berichtete aus Deutschland.

Ist der Technik-Hype in der Bildung vorbei?

Lulu Shi ging zunächst auf zwei ihrer Forschungsthemen ein: die Diskussion um Bildungstechnologien und die tatsächliche Nutzung dieser Technologien. Eine überraschende Erkenntnis der Wissenschaftlerin: Die öffentliche Diskussion wird stark von den Anbietern selbst, also den Technologieunternehmen, geprägt. Die Kritik der Nutzer konzentriere sich dagegen auf Fragen des Datenschutzes und nicht auf die Datenerhebung und -auswertung. Ihre Medienerhebung zeigt, dass es in den Medien zwei Hauptdiskussionsthemen in Bezug auf Bildungstechnologien gibt: soziale Ungleichheit und Privatsphäre bzw. Datenethik. 

Während der Pandemie habe es einen regelrechten Hype um den Einsatz von Bildungstechnologien gegeben, jetzt sei das Interesse wieder abgeflaut, so Shi. Ihr Fazit: „Dieses Bild widerspricht der öffentlichen Erzählung, dass EdTech (= Educational Technology) bleibt und die Zukunft ist." Eine Analyse der aktuellen und vergangenen Nutzung von Bildungs-Apps zeige zudem, dass Apps, die sich auf Messungen konzentrieren, mehr Nutzer gewinnen konnten als solche, die Zusammenarbeit und Konnektivität fördern.

Individuell und schnell

Einen Einblick in seine Forschung am TUM Campus Heilbronn gab Prof. Dr. Stephan Krusche: „Wir haben einen Chatbot namens Iris entwickelt, den wir nutzen, um die Kommunikation mit den Studierenden zu verbessern und diese gezielt zu fördern." Und der Bedarf scheint groß zu sein. Seit dem Start im Oktober gab es bereits 6.500 Interaktionen mit Iris. Dabei will Krusche die menschlichen Tutoren nicht ersetzen, sondern ihnen mehr Zeit für wichtigere Aufgaben verschaffen.

In Zukunft soll der Chatbot nicht nur für die Kommunikation mit den Studierenden, sondern auch für die Erstellung von Übungsaufgaben, die automatisierte Generierung von Feedback und Learning Analytics eingesetzt werden. „Die Zukunftsvision ist, nicht nur eine Übungsaufgabe für alle Studierenden zu haben, sondern personalisierte Aufgaben, die auf den Interessen, Kompetenzen und dem individuellen Profil der einzelnen Studierenden basieren", so Krusche. So können Übungsaufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden erstellt werden, die sich an den Fähigkeiten der Studierenden orientieren und so individualisiertes Lernen ermöglichen.

Wertvolle Kompetenzen

Dr. Fabian Stephany vom Oxford Internet Institute weitete den Blick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Hier zeigen seine Untersuchungen eine Entwicklung hin zum „Skill based Hiring“. Das bedeutet, dass Arbeitgeber inzwischen mehr Wert auf spezifische Fähigkeiten als auf formale Bildung legen. Eine Entwicklung, die durch die zunehmende Digitalisierung und das globale Bewusstsein für Umweltthemen, insbesondere im Zusammenhang mit der Klimakrise, vorangetrieben wird. Stephany hat dafür Stellenanzeigen auf dem britischen Arbeitsmarkt von 2019 bis 2022 analysiert.

„Wir können Technologie nicht isoliert betrachten. Technologie erfordert Arbeitskräfte mit spezifischen Fähigkeiten. Ohne Fähigkeiten kann Technologie nicht entwickelt, angewendet, gewartet, weiterentwickelt und reguliert werden", so Stephany. Der Wissenschaftler betonte die enge Verbindung zwischen Technologie und Kompetenzen, wobei neue Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) immer auch veränderte Fähigkeiten der Arbeitskräfte erforderten. Die Anpassung des Bildungssystems könne mit dieser Entwicklung nur schwer Schritt halten.

Nach dem erfolgreichen Brückenschlag vom Klassenzimmer zum Arbeitsplatz endete das kurze digitale Fenster in die Welt der Forschung. Die gute Nachricht: Es wird nicht das letzte OII / TUM HeilbronnWebinar gewesen sein, für 2024 sind bereits weitere geplant.  

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Niklas Weinstok
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