Ein neu entstandenes Berufsbild in der IT: Der Low-Code Developer

Ein neu entstandenes Berufsbild in der IT: Der Low-Code Developer

Bereits seit Mitte der 90er Jahre beschäftigt sich Karsten Noack, Gründer und Geschäftsführer der Scopeland Technology GmbH, mit der Technologie, die heute als Low-Code und als Schlüsseltechnologie der Digitalisierung bekannt ist. Er verfügt über umfassende Erfahrungen im Einsatz von Low-Code-Plattformen in großen Unternehmen und Behörden, weiß, wie IT-Projekte erfolgreich realisiert werden, und welche Teammitglieder man hierfür braucht.

Egal ob Cloud Architekt, Data Scientist oder IT Auditor: In der IT entstehen gefühlt jeden Tag neue Berufsbilder aufgrund der stetigen Weiterentwicklung der Branche. In Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung unzähliger Arbeitsprozesse und des Wandels hin zu agilen Verfahrensweisen verändern sich natürlich auch die Ansprüche an die Mitarbeiter, sowohl denen der Gegenwart als auch denen der Zukunft. Bereits jetzt setzen zahlreiche große Unternehmen und Einrichtungen aus dem öffentlichen Sektor auf die Low-Code-Technologie. Diese stellt aktuell eine der am schnellsten wachsenden Sparten der IT dar und benötigt natürlich auch das richtige Fachpersonal: die Low-Code Developer.

Herr Noack, was genau ist ein Low-Code Developer?

Als Low-Code-Developer bezeichnen wir Anwendungsentwickler, die mit sogenannten ‚Low-Code-Plattformen‘ professionell Software entwickeln, aber ohne Programmcode zu schreiben. Low-Code-Plattformen sind Tools oder Dienste, die anstelle von Programmierung visuelle und deklarative Methoden verwenden. Low-Code-Developer müssen die Prinzipien und Werkzeuge der jeweiligen Low-Code-Plattform verstehen und beherrschen – etwas, was man mit IT-Grundlagenwissen relativ schnell erlernen kann. Programmierkenntnisse hingegen sind nicht zwingend erforderlich.

Anders als für einen Programmierer stehen für einen Low-Code-Developer die umzusetzenden Inhalte im Vordergrund, und weniger die Softwaretechnik dahinter. Fachwissen aus der jeweiligen Branche ist demzufolge wichtiger als tiefgehendes IT-Knowhow.

Was muss ein Low-Code Developer denn alles können?

Die Anforderungen an Low-Code-Developer unterscheiden sich grundlegend von denen an professionelle Programmierer. Low-Code Developer sind zwar auch Anwendungsentwickler, für die aber Programmierkenntnisse und Informatik-Tiefenwissen eher zweitrangig sind. Sie müssen stattdessen in der Lage sein, komplexe Modelle, regelbasierte Systeme und andere Arten deklarativer Beschreibungen zu verstehen. Und, weil sie weitaus produktiver als Programmierer sind und viel agiler vorgehen können, wächst auch der relative Anteil der Kommunikation mit den späteren Anwendern. Und natürlich spielt auch die Fähigkeit, sich schnell in die fachlichen Inhalte der Auftraggeber hineinzuversetzen, eine viel größere Rolle.  

Wie wird man Low-Code Developer?

Reguläre öffentlich geförderte Umschulungen oder herstellerneutrale Trainee-Programme sind mir nicht bekannt. Dafür ist das Thema wohl noch zu neu. Aber fast alle Hersteller bieten geeignete Einarbeitungskurse an, jeweils speziell auf die Werkzeuge des jeweiligen Anbieters zugeschnitten.

Wir von Scopeland Technology stellen geeignete Kandidaten regulär ein und schicken sie gleich zu Beginn auf eine einwöchige Schulung. Voraussetzung sind grundlegende Datenbankmodellierungskenntnisse, die man sich aber in Vorbereitung der Schulung relativ schnell anlesen kann. Anschließend stellen wir ihnen einen erfahrenen Low-Code-Developer als Mentor zur Seite, mit dessen Hilfe sie schnellstmöglich in die reale Projektarbeit eingebunden werden. Nach einiger Zeit praktischer Arbeit können sie sich zum ‚Certified SCOPELAND Developer‘ zertifizieren lassen, und eines Tages selbst als Mentor Neueinsteigern den Weg weisen.

Der Ausbildungsweg zum Low-Code-Developer unterscheidet übrigens nicht zwischen IT-Profis und Quereinsteigern. Es ist nur so, dass so manche Schulungsinhalte den einen und andere den anderen etwas leichter fallen.

Man kann also auch Quereinsteiger sein?

Die Low-Code-Technologie ist geradezu ideal für Quereinsteiger in die IT. Erfahrungsgemäß fällt es gut qualifiziertem Fachpersonal völlig anderer Berufsrichtungen bemerkenswert leicht, sich in das Aufgabenfeld eines Low-Code-Developers einzuarbeiten. Und häufig erweisen sich Seiteneinsteiger sogar als die besseren Low-Code-Entwickler als die IT-Profis. Das ist deshalb so, weil sie meist viel unvoreingenommener an die Sache herangehen. Und weil Nicht-IT-Leuten deklaratives Denken eher leichter fällt als ausgebildeten Programmierern, die über lange Zeit hinweg lernen mussten, prozedural und algorithmisch zu denken. Auch IT-Spezialisten müssen umlernen, wenn sie sich zu Low-Code-Developern qualifizieren möchten.

Viele Low-Code-Developer kommen auch aus der Wirtschafts-, Geo- oder Bioinformatik. Viele sind von der Ausbildung her eigentlich Mathematiker, Physiker, Ingenieure oder sonstige Naturwissenschaftler. Auch ein BWL-Studium kann eine gute Grundlage für einen Umstieg in die Low-Code-Softwareentwicklung sein. Die wichtigste Anforderung ist die Fähigkeit zum strukturierten, abstrakten Denken, und die lernt man am effektivsten in einem regulären Studium. Die Fachrichtung ist dabei eher sekundär.

Was ist ein ‚Citizen Developer‘? Ist das dasselbe wie ein Low-Code-Developer?

Als ‚Citizen Developer‘ werden eher Mitarbeiter der Fachabteilungen bezeichnet, die sich neben ihrer eigentlichen fachlichen Tätigkeit für den Eigenbedarf kleinere Softwarelösungen selbst entwickeln. Das hat seine Wurzel in dem, was man früher aus als ‚Schatten-IT‘ bezeichnet hat, nur eben jetzt mit moderneren Werkzeugen. Als Low-Code-Entwickler bezeichnen wir hingegen eher solche Leute, die sich ganz bewusst für einen Berufsweg als professionelle Anwendungsentwickler entschieden haben.
Oftmals sind das ehemalige Citizen Developer, die ihre dabei gesammelten Entwicklererfahrungen nun zum Beruf machen.

Und wie setzt sich dann das ideale Team für IT-Projekte zusammen?

Low-Code-Developer rekrutieren sich sowohl aus IT- als auch aus Nicht-IT-Spezialisten, die gemeinsam im Team professionelle Anwendungsentwicklung für die Fachbereiche der Unternehmen durchführen. Scopeland Technology betreibt und unterstützt zahlreiche solche Low-Code-Teams seit mehreren Jahren und verzeichnet dabei einen verblüffend hohen Frauenanteil von über 60%. Wir favorisieren einen Mix aus jeweils einem IT-Spezialisten auf 4 Nicht-IT-Leute (Business Developer, Citizen Developer).

Können Low-Code Developer dem aktuellen Fachkräftemangel entgegenwirken?

Ja, es tut sich damit ein großes Arbeitsmarktpotential für Akademiker aller Fachrichtungen auf. Und zwar nicht wie früher als Informatiker zweiter Klasse. Die Verdienstmöglichkeiten sind ähnlich traumhaft wie die der ‚richtigen‘ Informatiker, wenn nicht sogar dank des mitgebrachten Branchenwissens sogar noch besser. Bereits heute zahlen Kunden für Low-Code-Entwickler deutlich höhere Tagessätze als für Java-Programmierer und andere ‚normale‘ IT-Spezialisten. Für Endkunden und IT-Firmen stellt dieser Trend eine interessante Perspektive zum grassierenden Fachkräftemangel in der IT dar. Es gibt auf dem Arbeitsmarkt mindestens nochmal so viele potentielle Seiteneinsteiger wie ausgebildete Informatiker. Diese Entwicklung hat somit auch eine arbeitsmarktpolitische Dimension.  

Wird man auch in Zukunft Low-Code-Entwickler brauchen?

Ja, und sogar noch wesentlich mehr als heute. In Deutschland fehlen mittlerweile rund 60.000 Mitarbeiter im IT-Bereich. Der US-Analyst IDC spricht aktuell von einem massiven Anwachsen der Entwicklerpopulation. Bis 2024 wird eine neue Klasse professioneller Entwickler, die Code ohne selbst geschriebene Routinen produzieren, die Entwickleranzahl um 30 Prozent vergrößern und die digitale Transformation beschleunigen, prognostiziert die COMPUTERWOCHE. Und dieses viel größere Entwicklerpotential, in Kombination mit der hohen Produktivität von Low-Code führe dazu, dass in den nächsten 5 Jahren voraussichtlich mehr Softwarelösungen entwickelt werden als in den letzten 40 Jahren zusammen. Es geht also keinesfalls nur um einige wenige neue Stellen, sondern um ein Vervielfachen des Entwicklerpotentials durch externe und interne Nicht-Informatiker.

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