MDR als regulatorisches Monster für Softwarehersteller – kommt es den Patienten zugute?
Spätestens seit dem PIP Skandal im Jahre 2010, bei dem der Hersteller der inzwischen insolventen Firma Poly Implant Prothèse jahrelang Brustimplantate aus nicht für Medizinprodukte zugelassenem Industriesilikon herstellte, steht die Transparenz und Patientensicherheit von Medizinprodukten in der Kritik. Dem möchte jetzt die Medical Device Regulation (MDR), die ab Ende Mai 2020 in Kraft tritt, entgegenwirken: Medizinprodukte sollen sicherer und höheren Anforderungen gerecht werden. Besonders für Hersteller medizinischer, zulassungspflichtiger Software stellen die neuen Regularien eine große Herausforderung dar. „Durch die strengeren Klassifizierungen, die die MDR mit sich bringt, wird der Spielraum, den wir heutzutage haben, etwas enger“, erklärt Stefan Becher, Vorstand der BAYOONET AG. Viele Softwareprodukte, die bisher Klasse I waren, würden vermutlich mindestens Klasse IIa zugeordnet und verpflichteten sich damit, über eine sogenannte Benannte Stelle eine CE-Zulassung für ihr Produkt zu beantragen. Zudem müssten durch die MDR Produkte, die bisher nicht als Medizinprodukt galten, nun die Anforderungen, die an ein solches gestellt werden, erfüllen. Dies bedeute für Unternehmen, sich nun neuen Themen, wie etwa dem Risikomanagement, zu widmen und sich den zukünftigen Regularien unterwerfen zu müssen. „Durch die MDR müssen Softwarehersteller in der Lage sein nachzuverfolgen, an wen die Software raus geht, um sie im Notfall zurückrufen zu können“, so Becher. Dafür müsse alles genauestens dokumentiert werden.
Anhand des konkreten Beispiels der zertifizierten Software mint Lesion belegte Dr. Matthias Baumhauer, Geschäftsführer der Mint Medical GmbH, dass diese Dokumentation immer sehr aufwändig ist. Er führte durch die verschiedenen Prozesse und Normen und die damit einhergehenden Veränderungen. So müsse mittlerweile nicht nur ein Testplan vorgelegt und die Durchführung der Tests dokumentiert, sondern es müssten auch viel umfangreichere Nachweise zur Bewertung der klinischen Wirksamkeit des Medizinprodukts – beispielsweise anhand kostspieliger und langwieriger klinischer Studien – erbracht werden. Insgesamt führe das Prozedere aber zu stark verbesserten Abläufen und zu einer höchstwertigen Qualität. Der Dokumentationsaufwand spiegele sich jedoch auch in den sehr hohen Kosten wider. Deshalb sei es durch die neuen Regelungen der MDR insbesondere für kleine Unternehmen schwierig, Innovationen auf den Europäischen Markt zu bringen.Formularbeginn
Doch kommen diese ausgeprägten regulatorischen Vorgaben auch wirklich den Patienten zugute? Bei der Diskussionsrunde stimmten die Referenten und das Publikum überein, dass auch die MDD bislang sehr gute und für die meisten Fälle ausreichende Vorgaben enthalte, dass aber natürlich eine konsequente Umsetzung dieser Normen notwendig sei, um eine Wirkung für die Bevölkerung zu haben.
Bei der anschließenden TEN.-TED.-Befragung hielten etwa 55% der TEN.-Teilnehmer die Neuklassifizierung von Software durch die MDR für gerechtfertigt und nötig für den Verbraucherschutz. Allerdings sieht Stefan Becher die neuen Anforderungen kritisch: „Ich bin mir sicher, dass jemand, der sich bisher nicht an die Regularien gehalten hat, dies bei der MDR auch nicht tun wird.“ Auch sahen zwei Drittel der Anwesenden durch den hohen Kostenaufwand der MDR eine Existenzbedrohung für kleine und mittelständische Unternehmen. „Ich finde es sehr schade, dass durch die MDR neue Innovationen im Europäischen Markt verloren gehen könnten“, bedauert Stefan Becher. Deshalb waren sich 80% aller Anwesenden einig: Die EU solle, ähnlich der Food and Drug Administration in den USA, lieber Hürden für den Marktzugang von Innovationen abbauen, statt aufzubauen. Das Abschlusswort der Diskussion hatte Dr. Matthias Baumhauer: „Meiner Meinung nach sollten klinische und akademische Partner insbesondere mit kleineren Unternehmen zusammenarbeiten, um es diesen zu ermöglichen, sich mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand an die Regularien halten zu können.“ Insgesamt erscheint auch hier ein sinnvolles Maß hilfreich. Bei Software, die direkt zur Diagnose- und Therapieentscheidungen beiträgt, sollten hohe Qualitätsansprüche greifen und schnelle „Bastellösungen“ nicht mehr eingesetzt werden können. Für die Akzeptanz von Patienten und Ärzten für den Einsatz von Software bei der medizinischen Entscheidungsfindung sind aber Normen für die Qualität und deren Durchsetzung von grundlegender Bedeutung.
Die Gotthardt Healthgroup AG bietet mit der TEN.-Convention Entscheidern der Gesundheits- und Pharmabranche eine Plattform, aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und Projekte zu initiieren. Die nächste Veranstaltung findet am 26. September 2019 erstmals im alten Hallenbad Heidelberg statt. Weitere Informationen finden sich unter www.twitter.com/TEN_Event und auf http://www.ten-event.de/.
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