Ganzheitlich betrachtet: Eindeutig höheres Potenzial von Elektrofahrzeugen
Zum einen sind solche ganzheitlichen Technologievergleiche, also unter Berücksichtigung von Herstellung, Nutzung und Entsorgung der Fahrzeuge, nichts Neues. Auch thinkstep hat viele solcher Vergleiche bereits vorgenommen, von denen einige veröffentlicht wurden [1 – 3]. Dass mit einem Elektrofahrzeug erst eine gewisse Laufleistung zurückgelegt werden muss, um insbesondere die aus der Batterieherstellung resultierenden Emissionen zu kompensieren, wurde in derartigen Betrachtungen immer wieder betont. Auch dass idealerweise die Verwendung von Elektrofahrzeugen zu einem zusätzlichen Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien führen sollte, um ihre Klimabilanz gegenüber konventionellen Fahrzeugen zu verbessern, ist ein wichtiges Ergebnis dieser Betrachtungen.
Die darüber hinaus in der aktuellen Diskussion ausgetauschten Argumente sind vielfältig. Sie betreffen unter anderem die fehlende Vergleichbarkeit von Diesel- und Elektrofahrzeugen. Natürlich bestehen zwischen den beiden betrachteten Fahrzeugen teils erhebliche Unterschiede, z.B. bei Reichweite, maximaler Antriebsleistung oder auch der Drehmomentkurve. Während hinsichtlich des erstgenannten Aspekts das Dieselfahrzeug im Vorteil ist, hat das Elektrofahrzeug in den beiden anderen Aspekten die Nase vorn. Gewisse Unterschiede sind bei jedem Vergleich unterschiedlicher Technologien und Produkte gegeben und können leider nie komplett vermieden werden.
Viel wichtiger ist die Quantifizierung der Emissionen aus der Batteriefertigung, die einen besonders wichtigen Parameter in der Gegenüberstellung der beiden Fahrzeuge darstellt. Die von Sinn und seinen Mitautoren zur Batterieproduktion angeführte Studie [4] zeigt die immense Bandbreite der hierfür veröffentlichten Werte und die Relevanz des Energiebedarfs für die entsprechenden CO2-bzw. Treibhausgas-Emissionen auf. Bei näherer Betrachtung dieses Parameters fällt auf, wie wichtig das Produktionsvolumen für den Energieverbrauch pro Batteriekapazität ist und dass entsprechend die aus der Batterieproduktion resultierenden CO2-Emissionen mit größerem Produktionsvolumen stark absinken (Abbildung 1). Die von Sinn und den Mitautoren ermittelten CO2-Emissionen stellen daher nicht die Situation einer Batterieproduktion im Großmaßstab dar, sondern basieren vielmehr auf der Situation in der Vergangenheit.
Zudem kommt dem entsprechenden Energiebezug eine immense Bedeutung zu. Die Verwendung von Strom mit geringen CO2-Emissionen, insb. durch unternehmenseigene Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, senkt den CO2-Fußabdruck der Batterie deutlich ab. Gleiches gilt für die stetig fortschreitende Optimierung der Batterietechnologien, z.B. durch höhere Speicherkapazitäten, und effizientere Produktionsprozesse, u.a. durch Skaleneffekte wie bereits angeführt. All diese Entwicklungen werden in immer stärkerem Maße bei den Produzenten von Elektrofahrzeugen beobachtet. Dieselben Maßnahmen könnten bei einem Verbrennerfahrzeug, dessen großtechnische Produktion seit Jahrzehnten optimiert wurde, hingegen gar nicht die entsprechende Wirkung entfalten, weil der überwiegende Anteil ihrer CO2-Emissionen bei der Fahrzeugnutzung aus der Verbrennung von Kraftstoffen auf fossiler Erdölbasis entsteht.
Nichtsdestotrotz entspricht die Annahme, dass die Nutzung von Strom in Elektro- sowie auch in Plug-in-Hybriden keine CO2-Emissionen verursacht, wie es in den europäischen regulatorischen Rahmenbedingungen zu den CO2-Zielvorgaben zugrunde gelegt wird, insb. unter Beachtung von Verschiebungseffekten, natürlich in keiner Weise der Realität. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Prämisse des europäischen Regulierungsrahmens. Deutlich zielführender wäre es in unseren Augen, wenn an dieser Stelle zumindest die Emissionen, die bei der Stromerzeugung durchschnittlich in Europa entstehen, berücksichtigt würden. Hier müsste der Fokus von der bisherigen sogenannten tank-to-wheel Betrachtung, bei der nur die aus dem Fahrzeug stammenden Emissionen analysiert werden, auf eine well-to-wheel Betrachtung ausgeweitet werden, unter Berücksichtigung der Emissionen durch die Bereitstellung von Kraftstoff und Strom.
Doch selbst hierbei wären die Produktion und Entsorgung der Fahrzeuge sowie der Batterien noch nicht berücksichtigt. Dies wird erst in einer sogenannten cradle-to-grave oder auch Lebenszyklusbetrachtung (Life Cycle Assessment) möglich. Es existieren alle notwendigen Ansätze sowie Datenbanken zu solchen Betrachtungen, und diese werden in der Automobilindustrie [7] ebenso durchgeführt und genutzt wie von uns bei thinkstep. In solchen gesamtheitlichen Betrachtungen werden positive wie negative Auswirkungen von Entscheidungen sichtbar, zum Beispiel, wenn veränderte CO2-Emissionen aus der Batterieproduktion den Break-Even Punkt mit dem Verbrennerfahrzeug zu anderen Lebenslaufleistungen verschieben (siehe Abbildung 2). Um wirklich zielführende Entwicklungen auf makroskopischer Ebene herbeizuführen, müssen solche Betrachtungen in Zukunft auch im Regulierungsrahmen berücksichtigt werden – erfreulicherweise wird die Idee einer Kommunikat ionspflicht von Ergebnissen auf Basis von standardisierten Lebenszyklusbetrachtungen bereits auf politischer Ebene in Europa diskutiert [8].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Elektrofahrzeuge aufgrund der langfristig abnehmenden CO2- und Treibhausgas-Emissionen bei der Strombereitstellung, der noch bevorstehenden technologischen Entwicklung sowie der umfassenden Möglichkeit und Wirkung, erneuerbare Energien bei Produktion und Nutzung zu verwenden, ein deutlich höheres Zukunftspotenzial mit sich bringen als konventionelle Verbrennerfahrzeuge. Die Verbrennung von fossilen Rohstoffen[1] wird nie eine nachhaltige Lösung darstellen. Für die Politik und die Unternehmen ist wichtig, die Energie- und Verkehrs- sowie die Rohstoffwende integrativ zu denken, und Life Cycle Assessment ist der ideale Ansatz, um dies ganzheitlich durchzuführen. Hersteller von Elektrofahrzeugen sind aufgerufen, im selben Maße zusätzlichen erneuerbaren Strom zur Verfügung zu stellen wie es dem Verbrauch der produzierten Fahrzeuge entspricht. Dann, und n ur dann, sind die Emissionen in der Nutzungsphase tatsächlich nahezu vernachlässigbar. Hierfür existieren alle notwendigen Werkzeuge, Daten, methodische Grundlagen – und es gibt Profis, die korrekte Antworten auf diese relevanten Fragen geben können.
Referenzen:
[1] Fraunhofer IBP, thinkstep AG „Abschlussbericht: Bewertung der Praxistauglichkeit und Umweltwirkungen von Elektrofahrzeugen“ BMVI (Hrsg.), Berlin, 2016, Link
[2] thinkstep AG (ehemals: PE International AG), Gingo21 „Élaboration selon les principes ACV des bilans énergétiques, des émissions de gaz à effet de serre et desautres impacts environnementaux induits par l’ensemble des filières de véhicules électriques et de véhicules thermiques, VP desegment B (citadine polyvalente) et VUL à l’horizon 2012 et 2020“, 2013, Link
[3] thinkstep AG, prognos “Nullemissionsnutzfahrzeuge – Vom ökologischen Hoffnungsträger zur ökonomischen Alternative“, e-mobil BW, 2017, Link
[4] Romare, Dahllöf „The Life Cycle Energy Consumption and Greenhouse Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries”, 2017, Link
[5] Ellingsen et al. „Life Cycle Assessment of a Lithium-Ion Battery Vehicle Pack“, Journal of Industrial Ecology, 2013.
[6] Dai et al. “Update of Life Cycle Analysis of Lithium-ion Batteries in the GREET®Model”, September 2017
[7] Philipp Vetter „Erst nach 100.000 Kilometern ist der E-Golf wirklich „grün““, Welt online, 26.04.2019, Link
[8] Europäisches Parlament „Strengere Klimaziele für Autos bis 2030“, Pressemitteilung, Oktober 2018, Link
[1] Die Nutzung synthetischer Kraftstoffe (Wasserstoff, synthetisches Erdgas, synthetische Flüssigkraftstoffe) ist ein separates Thema, mit Vorteilen wie der Pufferwirkung im Energiesystem und Nachteilen wie einem geringeren Wirkungsgrad, die an anderer Stelle zu behandeln sind.
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