Banken im Wandel – Wo bleibt der Mensch?
Wer bedroht eigentlich das Geschäftsmodell von Banken – sind es Fintechs oder die großen Technologiekonzerne wie Google, Apple oder Facebook? Die Antwort: keines von beiden. „Die eigentliche Bedrohung sitzt bei Ihnen direkt um die Ecke“, berichtete Gerald Prio den Teilnehmern des jährlichen Forums von ec4u. Der CEO der cofinpro AG berät Finanzdienstleister bei der digitalen Transformation und hat Banken selbst als größte Konkurrenten im Kampf um Marktanteile im digitalen Geschäft ausgemacht. „Diejenigen Finanzinstitute, die sich früher und schneller mit Digitalisierung befassen, werden die Nase vorn haben.“ Als Beispiel für fortschrittliche Transformation nannte Prior die Commerzbank, die „enorm mutig“ unterwegs sei.
Fintechs und Technologiekonzerne keine echte Bedrohung
Zwar solle man Fintechs nicht kleinreden und sie genau beobachten, aber die Start-ups seien derzeit keine echte Bedrohung für Banken. Gleiches gelte für Google und soziale Netzwerke wie Facebook, die ihr Geschäft mit Daten machen und „den Teufel tun werden, in niedrigmargiges Bankgeschäft zu gehen.“ Anders sei es mit Amazon, weil der Online-Supermarkt als „trusted brand“ wahrgenommen werde und es sich um einen wichtigen Point of Sale handele. Banken sollten daher genau beobachten, wie sich Amazon künftig aufstelle. Indes verfügten Banken trotz Restruktierung und Regulierung über genügend Kapital und Erfahrung sowie einen langen finanziellen Atem, um ihre digitale Transformation voranzutreiben.
Art der Arbeit von Bankern wird sich grundlegend verändern
Wo Kunden und Bankmitarbeiter als Menschen im Transformationsprozess bleiben, schilderte Alexander Del Toro Barba. Der frühere Google-Manager ist bei VisualVest, einem Robo-Advisor der Union Investment, tätig und zugleich als Wissenschaftler auf Machine Learning spezialisiert. Seine These: „Künstliche Intelligenz wird für Banker zum Kollegen.“ Im Asset Management werde sich künftig die Art der Arbeit grundlegend verändern. Man werde mehr Mitarbeiter brauchen, die Daten qualitativ managen können. „Banker werden umlernen müssen, weil der Bedarf an Machine Learning und Data Engineers steigt“, betonte Del Toro Barba.
Künstliche Intelligenz noch in den Kinderschuhen
Von der Digitalisierung zu unterscheiden sei künstliche Intelligenz – also selbstlernende Systeme, die Daten eigenständig reflektieren können. Zwar seien neuronale Netze im Finanzbereich seit langem bekannt, weil sie bereits im Jahr 1990 für Geldautomaten und ATM-Kommunikation zum Einsatz gekommen seien. Zudem habe die Computing Power seit dem Jahr 2012 signifikant zugenommen. Allerdings seien die Technologien in diesem Bereich aktuell noch bei weitem nicht so ausgereift, wie viele Banker fürchten: „Chatbots beispielsweise eignen sich gut für Nischen-Produkte. Ihr Nachteil ist derzeit, dass sie im Dialogformat aufgesetzt sind und deshalb Konversationen konstruiert werden müssen. Einfach Fragen reinzuwerfen und brauchbare Antworten zu erhalten, funktioniert derzeit noch nicht.“ Im Robo Advisory bestehe zudem unter anderem das Problem, dass es noch nicht genügend Track Record und daher kein komplett automatisiertes Robo Advisory gebe.
Wandel funktioniert nicht mit der Holzhammer-Methode
Dennoch ist der Veränderungsdruck im Bankensektor enorm. Mitarbeiter in Finanzinstituten zu überzeugen, den Wandel anzunehmen, ist zu einer zentralen Management-Aufgabe geworden. Mut und unternehmerisches Denken auf allen Führungsebenen seien erforderlich, um den Wandel aktiv zu gestalten. Der vielbeschworene Kulturwandel lasse sich indes nicht verordnen, wie Jochen Werne hervorhob. Der langjährig erfahrene Banker arbeitet für das Bankhaus August Lenz & Co. AG und gehört dem Chatham House als einem der weltweit wichtigsten Think Tanks an. „Man kann eine Kultur nicht einführen. Wandel funktioniert nicht mit der Holzhammer-Methode. Man muss die Veränderung leben“, so Werne. Dazu helfe es, Allianzen zu bilden und mit Fintechs zu kooperieren. Zudem müsse sich das Management von Banken davon lösen, Digitalisierung nach bekannten Mustern zu betreiben. Vielmehr sei eine ernst gemeinte Fehlerkulturessentiell, um den Wandel erfolgreich zu gestalten – von ganz oben authentisch vorgelebt.
Selbstorganisation durch Holocracy
Wie der Wandel in kleineren Einheiten oder Tochtergesellschaften von Bankkonzernen gelingen kann, zeigte Dr. Frank Klinkhammer. Der frühere IBM-Manager hat das Holocracy-Prinzip und damit eine neuartige Organisationsstruktur in Unternehmen erfolgreich etabliert. „Früher war es so, dass in der Bank einer sagt, wo es langgeht. Aber nehmen wir mal das Beispiel einer Großstadt: dort lässt sich nicht vorgeben, was einzelne Händler zu machen haben. Es gibt dort Regeln und in diesem Rahmen findet eine Selbstorganisation statt. Dieses Prinzip lässt sich auf Unternehmen übertragen“, erläuterte der CEO der schweizerischen OOTW AG. Mit Holocracy gebe es klaren Vorgaben, die sich beispielsweise in verschiedenen Meeting-Formaten (u.a. tactical meetings mit maximal 60 Minuten Dauer) und mit eindeutigen Rollenverteilungen (u.a. Moderator und Links) zeigen. In dem abgesteckten Rahmen bleibe Raum für sinnvolle Experimente und Erfahrungsaustausch, während die klassische Managerrolle aufgehoben werde.
Kundenzentriertes Vorgehen von entscheidender Bedeutung
Was die Veränderungen für die Beziehungen mit Bankkunden bedeuten, schilderte Ines Alte. Als Beraterin bei ec4u ist sie vorrangig für Industrieunternehmen tätig und setzt ihre Erfahrungen in diesem Bereich auch für Finanzdienstleister ein: „Für jeden Bankberater ist es früher wie heute von zentraler Bedeutung, die Kundenbedürfnisse zu verstehen und sich in die Lage des Kunden zu versetzen. Dabei bieten ihnen digitale Tools gute Unterstützung“, erklärte Alte. So lasse sich durch Marketing Automation und Customer Analytics ermitteln, welche Finanzlösungen für welche Bankkunden interessant sind. Typische Kundenbedürfnisse seien nach jüngsten Erhebungen unter anderem permanente Verfügbarkeit, maßgeschneiderte Angebote und gewinnorientierte Beratung. „Viele Kunden wollen Bankdienstleistungen nur noch vergüten, wenn ihnen ein echter Mehrwert geboten wird“, betonte Alte. Weil es kein „one size fits all“ gebe, sollten Banken ihre Kunden digitalgestützt vorfiltern und nur individuell passende Lösungen vorschlagen. Zudem lasse sich die nach wie vor wichtige menschliche Komponente „wunderbar koppeln mit Technologie, indem beispielsweise mit Videochats, digitalen Assistenten oder hybriden Interaktionen gearbeitet wird.“ Wichtig sei es, Touchpoints mit dem Kunden zu identifizieren und eine 360 Grad Customer Experience umzusetzen, um irgendwann dahin zu kommen, dass „die Kundenschuhe dem Berater passen.“
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