Die Revolution der Elektronikentwicklung
Eine kurze Geschichte der Softwareentwicklung
Bis in die frühen 80er-Jahre wurde Software zumeist in maschinennahen Sprachen erstellt, bis hin zu quasi Maschinencode wie Assembler. Mit leistungsfähigeren Prozessoren kam diese Art der Programmierung schnell an ihre Grenzen. Sie war aufgrund der explodierenden Komplexität schlicht nicht mehr handhabbar und es musste ein neuer Weg gefunden werden, mit dieser Komplexität Schritt zu halten. Die Lösung lag in Programmiersprachen, mit denen auf einer höheren Abstraktionsebene entwickelt werden konnte, ohne sich um Details der Implementierung einzelner Sprachkonstrukte auf Maschinencode-Ebene zu kümmern. Die Rede ist von Hochsprachen, wie z.B. C, Java oder Matlab, die aus der heutigen Softwareentwicklung nicht mehr wegzudenken sind. Untersuchungen wie der Tiobe-Index zeigen, dass mehr als 98% der weltweiten Softwareproduktion mit Hochsprachen erfolgt.
Dabei liegen die Vorteile klar auf der Hand: einerseits das Ermöglichen der Beherrschung hochkomplexer Software-Systeme, andererseits eine dramatische Aufwands- und Zeiteinsparung. Als Nebeneffekt entsteht damit Freiraum, sich um die Architektur und Funktionen der zu erstellenden Software zu kümmern. Um es überspitzt zu sagen: Wer wollte heute noch via Assembler in Bits und Bytes kramen, wenn durch die Anwendung von Hochsprachen viel mehr auf den Kundenwert fokussiert werden kann?
Die Entwicklung hin zu höheren Abstraktionsebenen in der Software-Erstellung ist übrigens bei Weitem nicht zu Ende. Als Beispiele seien Serverless-Computing oder Machine-Learning-as-a-Service genannt. Eine analoge Entwicklung ist beim Chip-Design zu beobachten. Ohne moderne EDA-Umgebungen wäre die Entwicklung von Prozessoren in der heutigen Komplexität schlicht unmöglich. Dass es doch geht, ist der erreichten Abstraktion und Design-Automatisierung zu verdanken. Ganz anders jedoch sieht es aus, wenn man sich die Entwicklung diskreter Schaltungen anschaut.
Hardwareentwicklung auf dem Stand von gestern?
In der Hardware-Entwicklung ist die Situation geradezu ernüchternd. Während für Software nahezu monatlich neue Frameworks und Designprozesse auf den Markt kommen, tut sich bei Werkzeugen und Methodik für die Hardware-Entwicklung seit mehr als 10 Jahren fast nichts. Der Abstraktions- und Automatisierungsgrad ist viel geringer als in der Software-Entwicklung. Gängige Industriepraxis ist es, diskrete Schaltungen bis hinunter auf die unterste Bauteilebene manuell zu entwickeln, und das bei neuen Versionen und Varianten wieder und wieder. Modularisierung, Standardisierung und Wiederverwendung werden zwar häufig beschworen, in der Praxis jedoch nur von einer kleinen Minderheit der Unternehmen beherrscht. Das heißt, dass sämtliche Entscheidungen von der Anforderungs- bis zur Bauteilebene von Menschen getroffen werden müssen. Festlegungen zur Dimensionierung, Auswahl und schließlich auch zur Positionierung der einzelnen Bauteile nehmen dabei einen großen Raum ein – und sind doch nur repetitive, „mechanische“ Tätigkeiten, die geradezu nach maschineller Erledigung schreien. Unterm Strich bedeutet das erhebliche Defizite für den heutigen Prozess:
- Fehleranfälligkeit: Das Vorgehen ist aufgrund des extrem großen Anteils manueller Tätigkeiten hochgradig fehleranfällig. Die Konsequenz sind viele ungeplante und teure Rekursionen.
- Innovationsbehinderung: Es bleibt vergleichsweise wenig Freiraum, sich um den kreativen Anteil der Entwicklung zu kümmern, mit dem Kundenwert erzeugt wird. Stattdessen verschwindet der Großteil der Entwicklungskapazität in „mechanischer“ Tätigkeit.
- Kompetenzverschwendung: Der Bedarf an fähigen Hardware-Entwicklern und Layoutern ist hoch und wächst kontinuierlich weiter. 2016 prognostizierten VDE und IW einen Mehrbedarf von 100.000 Elektroingenieuren bis 2026. Der Arbeitsmarkt hingegen ist seit Jahren leergefegt. Vor diesem Hintergrund ist es sträflicher Leichtsinn, dass die Hardware-Entwicklung bisher kaum automatisiert ist und folglich wertvolle Kompetenzen verschwendet werden.
Das bedeutet, die Entwicklung diskreter Elektronik dauert nach heutiger industrieller Praxis viel zu lange und ist deutlich zu aufwändig und kostenintensiv. Es besteht ein erhebliches Effizienzpotenzial und es ist an der Zeit, dieses zu heben. Das Software-Engineering hat es vorgemacht: Prozesse, die sich in Maschinen-Algorithmen abbilden lassen und auch abgebildet werden, beschleunigen und flexibilisieren die Entwicklung erheblich. Für das Hardware-Engineering lassen sich alle Prozessschritte algorithmisch abbilden, die nach der kreativen Leistung der Anforderungserhebung und funktionalen Beschreibung folgen: Modul- und Bauteileauswahl, Erstellung von Schaltplan und Layout, sowie die Erzeugung von hardware-naher und Applikations-Software.
Damit lautet die oben für Software gestellte Frage, umformuliert für Hardware: Wer will heute noch in Widerstands-, Kondensator- und sonstigen (virtuellen) Bauteile-Kisten kramen, wenn durch die Automatisierung des Hardware-Engineerings Freiraum für Innovation und die Schaffung von Kundenwert entsteht? Die Antwort darauf ist leider bei Weitem (noch) nicht so selbstverständlich wie für die Software Welt.
Eines ist offensichtlich: Zukünftig werden auch im Hardware-Engineering alle Prozessschritte, die sich algorithmisch abbilden lassen, automatisiert werden. Im schematisch und vereinfacht dargestellten Entwicklungsprozess in Abbildung 1 sind das alle Schritte zwischen der Funktionsspezifikation und der Leiterplattenfertigung. Folglich kann sich der Anwender auf die funktionale Modellierung seines Elektroniksystems fokussieren (Schritte Anforderungs- und Funktionsspezifikation) und braucht sich nur wenig um dessen Umsetzung in Schaltplan, Layout und Stückliste kümmern. Oder anders gesagt: der Entwicklung liegt ein modellbasierter Ansatz zugrunde, der bei der Anforderungs- und Funktionsspezifikation beginnt. Auf Basis des Gesamtmodells des gewünschten Elektroniksystems leisten Software-Algorithmen die nachfolgenden Implementierungsschritte.
Das klappt unter der Voraussetzung, dass die Elemente, die zur Funktionsmodellierung verwendet werden, als Schaltungsmodule vorliegen. Deren Beschreibung muss den Schaltplan, die verwendeten Bauteile, das Layout, die zugehörigen Software-Anteile und Metadaten, wie z.B. Spannungsniveaus, Signal-Typen oder Layer-Setup umfassen. Diese Schaltungsmodule werden vom Automatisierungs-Algorithmus verwendet und daraus die Outputs generiert, die das zu erstellende Elektroniksystem vollständig repräsentieren: Schaltplan, Layout, Stückliste, hardware-nahe Software und – sofern gewünscht – auch die Applikations-Software. Bereits existierende Moduldatenbanken können dabei wiederverwendet werden. Je nach deren Beschaffenheit muss einmalig die Ergänzung oder Anpassung der Metadaten erfolgen.
Dieser Automatisierungsgrad führt zu einer dramatischen Zeit-, Aufwands- und Kosteneinsparung, zudem sinken die Kompetenzanforderungen. In Tabelle 1 sind der bisherige und der zukünftige Hardware-Engineering-Prozess anhand charakteristischer Kriterien gegenübergestellt. Die Überlegenheit des automatisierten Prozesses wird damit nochmals sehr offensichtlich.
Die Contunity-Plattform: Automatisierung satt
Die Engineering-Plattform von Contunity realisiert alle oben beschriebenen Schritte zur Automatisierung der Elektronikentwicklung, ausgehend von einem funktionalen Modell. Deren Herzstück sind die Contunity-eigenen Automatisierungs-Algorithmen für die Hardware- Entwicklung, basierend auf neuesten Erkenntnissen aus künstlicher Intelligenz und Machine-Learning. Zusammen mit industriell üblicher Methodik für modellbasierte Software-Entwicklung wird damit die vollständige Automatisierung der Entwicklung eingebetteter Systeme erreicht. Dieser Automatisierungsgrad ist weltweit einmalig und kennzeichnet die Richtung, in die sich die Entwicklung elektronischer Systeme mit rasanter Geschwindigkeit bewegen wird. Die Contunity-Plattform steht im Sinne des „Software-as-a-Service (SaaS)“ als sofort einsatzfähige Cloud-Anwendung bereit, analog zu bspw. Fusion 360 von Autodesk oder Office 365 von Microsoft. Darüber hinaus ist die Installation „on-premises“ für höchste Datensicherheit verfügbar.
Die Benutzereingabe erfolgt mittels eines intuitiv zu bedienenden graphischen Editors, der an das bekannte Benutzererlebnis von Werkzeugen mit graphischer Eingabe anschließt, wie z.B. Matlab/Simulink oder LabVIEW, siehe Abbildungen 2 und 5. Damit ist die Einarbeitungs- und Schulungszeit auf ein Minimum reduziert. Es kann auf Moduldatenbanken von Contunity zurückgegriffen oder mit eigenen Bibliotheken gearbeitet werden. Letztere können via API-Schnittstellen aus vorhandenen CAE-Werkzeugen importiert werden, beispielsweise aus Altium- oder Mentor-Umgebungen. Ebenso können die Ergebnisse, also Schaltplan, Layout, Stückliste, für die bei den Anwendern vorhandene Werkzeuge exportiert werden. Damit dockt die Contunity-Plattform reibungslos an existierende Toolchains an. Derzeit wird die Plattform im Rahmen von Pilotprojekten mit Industriepartnern produktiv eingesetzt und weiterentwickelt, offizieller Marktstart ist Anfang 2020.
Die folgenden Abbildungen zeigen zwei Anwendungsbeispiele, jeweils dargestellt mittels des funktionalen Modells, des Layouts und einem Rendering der Leiterplatte. Die Abbildungen 2 bis 4 zeigen eine LAN-Karte zur Einbindung in einen industriellen Regelungsprozess, die Abbildungen 5 bis 7 zeigen ein Wearable, also ein Consumer-Produkt. Beide Elektroniken wurden vollautomatisch aus dem funktionalen Modell generiert. Tabelle 2 stellt die Aufwände für manuelle und automatisierte Entwicklung gegenüber. Die Aufwände umfassen jeweils die Prozessschritte Schaltplanerstellung mit Modul- und Bauteileauswahl und Leitplattendesign. Damit wird offensichtlich, dass die Automatisierung zu einer drastischen Aufwandseinsparung führt.
Darüber hinaus sind aus Sicht der Pilotkunden folgende Vorteile sehr relevant:
- Erhebliche Verkürzung von Entwicklungszeiten durch sofortige Verfügbarkeit von Hardware-Mustern, die z.B. für Software-Tests verwendet werden können.
- Standardisierung über Entwicklungsgruppen und Standorte hinweg durch Verwendung der Modulbibliothek.
- Schnelle und prozesssichere Erstellung von Varianten und Durchführung von Änderungen.
- Schnelle Erstellung von spezifischer Hardware für den Einsatz in Testumgebungen.
In einer weiteren Ausbaustufe wird Contunity eine Sharing-Plattform aufbauen, vergleichbar mit bekannten App-Stores, über die Schaltungsmodule, Bauteile und Dienstleistungen direkt vertrieben werden können. Das bietet Bauteile- und Chipherstellern sowie Entwicklungs- und Produktionsdienstleistern einen zusätzlichen attraktiven Marktzugang und neuen Absatzkanal.
Zusammenfassung: Die Zukunft beginnt jetzt
Das Hardware-Engineering für elektronische Systeme durchläuft heute eine Entwicklung, die das Software-Engineering bereits vor Jahrzehnten durchlaufen hat: hin zu modellbasierter funktionaler Modellierung und hoher Automatisierung. Angesichts des immensen Bedarfs an Elektronikentwicklung bei gleichzeitigem massivem Engpass am Arbeitsmarkt werden die herkömmlichen Entwicklungsprozesse und Werkzeuge sukzessive vom Markt verdrängt werden. Die Vorteile für Unternehmen, die sich dieser Entwicklung früh anschließen, liegen auf der Hand: einerseits sinken die Entwicklungszeiten, -aufwände und -kosten drastisch, andererseits steigt die Ergebnisqualität aufgrund von Modularisierung, Standardisierung und Wiederverwendung erheblich – beides sind essenzielle Wettbewerbsvorteile angesichts sich weiter beschleunigender Innovationszyklen. Die brandneue Contunity-Plattform ermöglicht als weltweit einziges Werkzeug die vollständige Automatisierung der Elektronikentwicklung. Sie läutet damit ein völlig neues Zeitalter ein, das jetzt beginnt.
Über die Contunity GmbH
Das Team von Contunity ist im gate – Garchinger Technologie- und Gründerzentrum ansässig und entwickelt eine online zugängliche Software, die den Prozess von Elektronikentwicklung vereinfacht. Die Software von Contunity ermöglicht es jeder technisch ausgebildeten Person, ein eingebettetes System selbst zu entwickeln. Die Contunity-Algorithmen erledigen dabei viele Arbeitsschritte vollautomatisch. Die Software reduziert dadurch Produktzyklen und Entwicklungsaufwand drastisch. Als Folge sinkt die Hürde der Digitalisierung von Alltagsgegenständen wesentlich.
Contunity wurde bereits von EXIST, XPRENEURS und der UnternehmerTUM gefördert. Mit dem Gewinn des WECONOMY-Wettbewerbs stellten die Gründer die Relevanz ihrer Technologie für die Wirtschaft unter Beweis. Mit dem Einzug ins gate führen die Gründer ihren Weg zum Erfolg nun in den eigenen Büroräumen fort. Die drei Gründer sind komplementär ausgebildet und können in ihren Disziplinen der Elektrotechnik, Maschinenbau und Betriebswirtschaft Masterabschlüsse vorweisen.
gate Garchinger Technologie- und Gründerzentrum GmbH
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